Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes: 6% sind seit 2014 zu hoch – Änderung ab 2019 erforderlich
Diese Entscheidung wurde in Fachkreisen schon lange erwartet. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer Pressemitteilung berichtet ➚ ist die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Erstattungen (gemäß § 233a ➚ i.V.m. § 238 AO ➚ ) seit dem Jahr 2014 verfassungswidrig.
Aus Vereinfachungsgründen akzeptiert das BVerfG die Anwendung der bisherigen Regelung bis zum Jahr 2018. Erst für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 wird der Gesetzgeber aufgefordert bis Ende Juli 2022 eine Neuregelung zu treffen. Das Gericht sieht somit diejenigen Steuerpflichtigen verfassungswidrig benachteiligt, deren Steuerfestsetzung nicht bis zum Ende der zinsfreien Karenzzeit von 15 Monaten festgesetzt ist.
Warum verfassungswidrig?
Der Gesetzgeber hat auf die durch die Finanzkrise seit 2008 fallenden Zinssätze nicht reagiert. In der Folge konnte die vorher verfassungsgemäße Verzinsung nach Auffassung des Gerichts nur noch bis zum Jahr 2014 akzeptiert werden. Nur um die Finanzverwaltung von einem weiteren Ansturm von Verfahren zu Bewahren und die bereits laufenden Verfahren ohne Änderungen abschließen zu können, hat das BVerfG die weitere Anwendung bis 2018 genehmigt.
In Fachkreisen wurde das Urteil schon seit langem erwartet. Seit der Wirtschaftskrise in 2008 gab es immer wieder neue Musterverfahren, mit denen ein Urteil des BVerfG angestrengt wurde. Mehrmals hatte bereits der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Zins „gerade noch“ verfassungsgemäß sei.
Zurückweisung der Einsprüche
Mit Schreiben vom 29.11.2021 haben die Finanzbehörden der Bundesländer eine Allgemeinverfügung erlassen. Mit dieser werden alle bundesweit vorliegenden Einsprüche für Zinszeiträume bis zum 31.12.2018 zurückgewiesen. Gegen diese Zurückweisung von Einsprüchen kann binnen eines Jahres noch geklagt werden. Wir empfehlen dies jedoch nicht, da nach dem o.g. Urteil des BVerfG nicht damit zu rechnen ist, dass eine weitergehende Entscheidung zu Gunsten des Steuerpflichtigen erfolgt.
Für die Zeiträume ab 2019 bleibt es zunächst bei ruhenden Einspruchsverfahren, die letztlich erst nach einer Anpassung der Verzinsung in der Abgabenordnung erledigt werden.
Änderung der Zinsbescheide ab Januar 2023
Ende Januar 2023 hat die Finanzverwaltung begonnen offene Zinsbescheide mit den neuen Zinssätzen zu überarbeiten. Durch die hohe Zahl an Bescheiden kommt es bei anderen Bearbeitungen (z.B. Steuerbescheiden) zu einer Verzögerung auf Grund fehlender Rechenleistung.
Und die Säumniszuschläge?
Auch bei den Säumniszuschlägen gab es nach dem o.g. Urteil, da vorher der gleiche Satz von 0,5% pro Monat galt, vermehr Stimmen, die auf eine Verfassungswidrigkeit hingewiesen haben. Hierzu haben wir einen gesonderten Blogbeitrag erstellt.
Update vom 29.11.2021: Hinweis auf Allgemeinverfügung zur Rückweisung der Einsprüche gegen die Nachzahlungszinsen
Update vom 08.07.2022: Rückwirkend für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 bestimmt das Gesetz den Zinssatz auf 1,8 Prozent pro Jahr (statt 6 Prozent). Die Angemessenheit des neuen Zinssatzes wird künftig evaluiert, erstmals zum 1. Januar 2026. Das Gesetz soll noch in Juli in Kraft treten.
Update vom 04.10.2022: Formatierung angepasst und fehlerhaften Link entfernt.
Update vom 02.02.2023: Änderung Überschrift – Zwischenüberschrift – Info zum Verfahren der Zinsänderung Anfang 2023
Aktualisierung vom 28.06.2023: Anpassen Ablauf, Zwischenüberschrift, Verweis auf Blogbeitrag zu den Säumniszuschlägen