Während die Opposition im Bundestag – allen voran die größte Fraktion von CDU/CSU – schnelle Neuwahlen fordert, bittet Bundeskanzler Olaf Scholz weiterhin um Geduld. Wie kann es weitergehen und welche Folgen hat das für die Steuergesetzgebung?
Dringende Gesetzgebungsverfahren noch beenden
Es gibt einige Verfahren, bei denen Bundestag und Bundesrat noch zustimmen müssen und zu denen (teilweise) auch Einigkeit zwischen einer ausreichenden Zahl von Parteien steht, so dass zu erwarten ist, dass das Gesetzgebungsverfahren noch erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Jahressteuergesetz 2024
Das Jahressteuergesetz 2024 (JStG) hat den Bundestag bereits passiert. Am 22.11.2024 wurde die abschließende Beratung im Bundesrat vorgenommen und dem Gesetz zugestimmt. Das Gesetz kann daher wie geplant in Kraft treten.
Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024
Mit dem Gesetz soll der Grundfreibetrag ab Dezember 2024 auf 180 € auf 11.784 € angehoben werden. Auch der Kinderfreibetrag sollt um 228 € auf 6.612 € steigen. Eine Anpassung des Kindergelds ist hingegen erneut nicht geplant. Das Gesetz wurde am 18.10.2024 vom Bundestag beschlossen. In einer vorherigen Sitzung hatte der Bundesrat keine Einwendungen, die Zustimmung des Bundesrats erfolgte ebenfalls am 22.11.2024.
Steuerfortentwicklungsgesetz
Das Steuerfortentwicklungsgesetz sollte durch Entlastungen (Ausgleich der Inflation, Verlängerung der degressiven Abschreibung, Anreize für eMobiliät u.a.m.) einen Konjunkturanreiz setzen. Es gab jedoch keine Einigung innerhalb der Ampelkoaliton. Auch eine Zustimmung der Länder, die bei Entlastungen Einnahmeausfälle zu verzeichnen haben, ist unsicher. Möglich ist, dass die rot-grüne Minderheitsregierung hier versucht eine mit der CDU/CSU zu erzielen, was dem Gesetz eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat sichern würde. Gegebenenfalls wird der Inflationsausgleich, auch kalte Progression genannt, als gesondertes Gesetzgebungsverfahren umgesetzt wird.
Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive
Der Referentenentwurf des Gesetzes, mit dem die europäische CSR-Richtlinie umgesetzt werden sollte, wurde bereits im März 2024 veröffentlicht. Das Gesetz befindet sich derzeit in den Fachausschüssen des Bundestages. Ende September hat die EU-Kommission ein Aufforderungsschreiben an Deutschland übermittelt. Sofern die Umsetzung in nationales Recht nicht bis Ende November abgeschlossen ist, muss Deutschland eine begründete Stellungnahme an die Kommission übergeben, um eine Klage vorm EuGH zu vermeiden.
Weitere Gesetze
Einige weitere Gesetze (u.a. Zukunftsfinanzierungsgesetz II, Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung, Steueranreize für E-Fuels, PAV-Reformgesetz, Restrukturierungsfonds-Übertragungsgesetz, Mindeststeuer-Anpassungsgesetz) befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium. Es ist daher völlig unklar, inwieweit hier noch mit einer Umsetzung in der laufenden Legislaturperiode zu rechnen ist.
Misstrauensvotum beendet die Gesetzgebung
Sofern eine Gesetzgebung nicht bis zur Auflösung des Bundestags abgeschlossen ist, entfällt diese durch Diskontinuität. Das heißt lediglich geplante, begonnene oder nicht vollständig beendete Gesetzgebungsverfahren scheitern durch das Misstrauensvotum.
Folgen der Diskontinuität auch für zwingende Gesetze
Dies verzögert möglicher Weise auch Gesetze, bei denen zwischen einer Mehrheit von Parteien im Bundestag bzw. Ländern im Bundesrat eine Mehrheit besteht. Vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, zunächst sorgfältig zu prüfen, welche Verfahren im Bundestag und Bundesrat mehrheitsfähig sind, um diese möglichst noch zeitnah umsetzen zu können.
Erst danach wäre es aus unserer Sicht sinnvoll die Vertrauensfrage zu stellen und den Bundestag durch den Bundespräsidenten auflösen zu lassen.
Erwartbare Verzögerung in der Gesetzgebung durch Neuwahlen
Erst nach einer Neuwahl und der – absehbar schwierigen – Regierungsbildung nehmen die neuen Gesetzgebungen langsam wieder Fahrt auf. Alles was nicht bis zur Vertrauensfrage geklärt ist, dürfte sich daher um etwa ein halbes Jahr verzögern.
Aktualisierung vom 24.11.2024: Der Bundesrat hat dem JStG 2024 und der Anpassung des Grund- und Kinderfreibetrages in seiner Sitzung vom 22.11.2024 zugestimmt.