Aktivrente

Ist die Aktivrente verfassungswidrig?

Das Kabinett aus Union und SPD hat die Aktivrente auf den Weg gebracht. Bundesfinanzminister Klingbeil verspricht sich davon „Impulse für wirtschaftliches Wachstum in Deutschland,“ wie das BMF mitteilt ↗. Neben Lob erntet die Regierung für die geplante Regelung auch Kritik, bis hin zur Frage ob die Aktivrente verfassungswidrig ist.

Im Kern soll mit der Neuregelung die Weiterbeschäftigung von Rentnern in Höhe von 24.000 € im Jahr steuerfrei möglich sein. Dabei wird eine Entlastungswirkung von bis zu 890 Mio. € erwartet. Die Regelung gilt ausschließlich für Arbeitnehmer*innen, Beamte und Selbständige sind hiervon ausgeschlossen.

Wie ist die Regelung geplant?

Für Rentner*innen, die nach dem Regelalter für die Altersrente weiterbeschäftigt sind, gibt es einen Freibetrag in Höhe von 24.000 €. Dieser Verdienst unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt, so dass auch die übrigen Einkünfte nicht beeinflusst werden. Lediglich Sozialversicherungsbeiträge fällen an.

Nach dem Willen der Regierung soll die Regelung ab 2026 in Kraft treten. Es wird mit 168.000 – 230.000 Rentner*innen gerechnet, die die Regelung in Anspruch nehmen. Dies entsprich 1/4 bis 1/3 der Anspruchsberechtigten.

Ziel ist es durch diese Maßnahme das Wirtschaftswachstum zu erhöhen und so letztlich an anderer Stelle Steuereinnahmen zu generieren.

Welche Kritik gibt es zur Wirkung der Aktivrente?

Wie die tagesschau berichtet ↗, ist unklar ob Arbeitgeber gezielt Menschen im Rentenalter beschäftigen. Zudem seien viele Branchen mit einem Mangel an Arbeitskräften auch mit körperlicher Arbeit oder hohen mentalen Belastungen verbunden, die Menschen im hohen alter nicht mehr uneingeschränkt leisten können.

„Die Politik drückt auf Gas und Bremse zugleich,“ monieren laut tagesschau ↗ die Arbeitgeber (BDA). Gleichzeitig kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund, dass die Regelung keins der vorhandenen Probleme löst.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht ↗ „enorme Kosten bei zweifelhaftem Nutzen“. Anders als die Bundesregierung geht das Institut von 1,4 Mrd. € jährlichen Mindereinnahmen aus. Da die meisten Arbeitnehmer*innen im Rentenalter wegen der sozialen Kontakte länger arbeiten und nicht aus finanziellen Gründen, gehe die Förderung fehl. Die Gesamtzahl der Arbeitnehmer steige durch die Regelung nicht ausreichend, um die Probleme der Bevölkerungsentwicklung auszugleichen. Der Fehlanreiz durch die Möglichkeit der abschlagsfreien Frühverrentung sollte abgeschafft werden.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht Mitnahmeeffekte ↗ in Höhe von 800 Mio. € im Jahr. Diese entstehen dadurch, dass bisher steuerpflichtige Beschäftigungen von Rentnern ab 2026 steuerfrei werden, ohne dass zusätzliche Beschäftigung entsteht. Aus Sicht des Instituts würden vor allem Besserverdienende profitieren.

Der Sozialverband VdK fordert ↗ an Stelle der Aktivrente einen höheren Grundfreibetrag für alle Beschäftigten, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten.

In einem Kommentar der Frankfurter Allgemeinen (FAZ ↗) schreibt Manfred Schäfers, dass es schon Anreize für Ältere gebe, um Job zu bleiben: Die Erhöhung der Rentenanwartschaft sowie wegfallende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung machen bereits jetzt das Arbeiten im Alter attraktiv. Er spricht daher von „falscher Bevorzugung“.

Im FOCUS sieht ↗ der Verband der Sachverständigen (BVS), stellvertretend für viele Unternehmerverbände „ein widersprüchliches Signal“, da Selbstständige und Freiberufler von der Förderung ausgeschlossen sind. Schließlich leisten diese Berufsgruppen „einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft“.

Und, ist die Aktivrente verfassungswidrig?

Das IW moniert die Ungleichbehandlung von Selbstständigen, Beamten und Arbeitnehmern, zudem seit auch eine Altersdiskriminierung gegeben.

Das DIW sieht keinen Sachgrund für die Beschränkung der Aktivrente auf Angestellte.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt zu dem Ergebnis (PDF ↗), dass die Aktivrente „eine erhebliche Ungleichbehandlung natürlicher Personen … im Binnensystem der … Einkommensteuer“ darstellt. Zum Zeitpunkt der Stellungnahme gab es noch keinen Gesetzesentwurf, so dass die Verfassungswidrigkeit noch nicht abschließend geklärt werden konnte.

Unser Fazit

Eines ist schon jetzt klar: Mit der Neuregelung betritt der Gesetzgeber juristisches Neuland. Denn neben den bereits vorhandenen Vorschriften, die für Ungleichheit sorgen, wie zum Beispiel dem Altersentlastungsbetrag, kommt jetzt eine Maßnahme, die einen deutlich höheren Effekt hat. Zudem erfolgt nicht nur eine Diskriminierung auf Grund des Alters, sondern zusätzlich noch eine Diskriminierung zwischen den Einkunftsarten.

Aus unserer Sicht bestehen daher erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. Aktuell liegt noch kein Gesetzentwurf und insbesondere keine Gesetzesbegründung vor, weshalb eine finale Aussage noch nicht getroffen werden kann. Ob es dem Gesetzgeber gelingt, die Diskriminierung ausreichend zu rechtfertigen, wird letztlich das Bundesverfassungsgericht prüfen müssen.

Sie sehen Ihre Einkünfte zu Unrecht benachteiligt? Dann sprechen Sie uns an, wenn Sie gegen Ihre Benachteiligung durch die Aktivrente vorgehen möchten.

Verfahrensverlauf – Wie wird die Aktivrente für verfassungswidrig erklärt

Auf Grund der hohen finanziellen Auswirkung bei einem zusätzlichen Freibetrag von 24.000 € im Jahr ist mit mehreren parallelen Finanzgerichtsverfahren zu rechnen. Denkbar sind bereits im Februar Einsprüche gegen die Lohnsteueranmeldung Januar 2026 oder schon im Januar gegen die Vorauszahlungsbescheide für 2026. Nach einer Entscheidung des Finanzamts, dass an das Gesetz gebunden ist, können die Verfahren gegen die Verfassungswidrigkeit der Aktivrente zu den Gerichten gehen.

Im Rahmen dieser Verfahren würden letztlich die Finanzgerichte oder der Bundesfinanzhof (BFH) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Anfrage zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorgelegt werden. Nur wenn diese Gerichte selbst keine Gründe für die Verfassungswidrigkeit sehen und die Klagen abweisen, müsste letztlich von einem Betroffenen selbst beim BVerfG geklagt werden.

Sobald ein Verfahren in den höheren Instanzen angekommen ist, kann bei Einsprüchen und Klagen das Ruhen eines Verfahrens vereinbart werden, um den Fall bis zur Entscheidung in diesem Verfahren offen zu halten.

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