Vorsteuerabzug

Vorsteuerabzug bei Leistung vom Ist-Versteuerer

Bisher war das deutsche Umsatzsteuerrecht einfach: Es gab Ist- und Soll-Versteuerer und die Regelung hatte nur auf den jeweiligen Unternehmer und den Zeitpunkt der Umsatzsteuerpflicht seiner Ausgangsumsätze eine Auswirkung. Ob Ihr Lieferant Soll- oder Ist-Versteuerer ist, hatte bisher keine Auswirkung auf den Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger. Allerdings ist die bisherige deutsche Regelung europarechtswidrig. Wir beleuchten den Hintergrund und die Folgen.

Hintergrund – Urteil des EuGH

Mit Urteil vom 10.02.2022 (Rs. C-9/20) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ↗ entschieden, dass die deutsche Regelung zum Vorsteuerabzug in Bezug auf Leistende, die der Ist-Besteuerung unterliegen, europarechtswidrig ist. Nach Feststellung des EuGH darf die Vorsteuer erst in dem Zeitraum geltend gemacht werden, in dem die selbst Umsatzsteuer fällig ist.

In der Folge ist das deutsche Umsatzsteuergesetz anzupassen, um diese Vorgaben aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie korrekt umzusetzen.

Geplante Gesetzesänderung

Das Bundesfinanzministerium hat im Mai 2024 einen 243-seitigen Referentenentwurf für ein Jahressteuergesetz 2024 vorgelegt. Darin werden unter anderem auch die Folgen aus diesem Urteil gezogen. Das eine Änderung kommen muss ist klar. Ob diese in der derzeit vorgelegten Form kommt, bleibt abzuwarten, da zwischen Referentenentwurf und finaler Gesetzesfassung noch diverse Änderungen möglich sind. Ohnehin soll die Änderung erst ab Januar 2026 angewandt werden.

Auch im Regierungsentwurf vom 05.06.2024 wurde diese Regelung aufgenommen.

Folge für Rechnungssteller

Soll-Versteuerer

Für Soll-Versteuerer ergibt sich keine Änderung.

Ist-Versteuerer

Bleibt es bei der geplanten Änderung müssen Ist-Versteuerer in Rechnungen ab 2026 einen gesonderten Hinweis in die Rechnung aufnehmen: „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“.

Dieser Hinweis dient dann dem Rechnungsempfänger zur Unterscheidung bezüglich des Zeitpunkts des Vorsteuerabzugs.

Folge für Rechnungsempfänger

Rechnungsempfänger müssen nach der geplanten Neuregelung ab 2026 bei Eingangsrechnungen unterscheiden. Haben Sie einen Soll-Versteuerer als Lieferanten oder Dienstleister, kann die Vorsteuer – wie bisher – im Monat des Eingangs der Rechnung berücksichtigt werden. Stammt die Eingangsrechnung jedoch von einem Soll-Versteuerer ist ein Vorsteuerabzug zukünftig erst in dem Monat der Zahlung der Rechnung fällig.

Damit entsteht zukünftig im selben Monat die Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer beim Leistenden und die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug beim Empfänger.

Mögliche Beendigung der Geschäftsbeziehung bei IST-Versteuerung

Vereinzelt wurden Stimmen laut, dass größere Unternehmen – auf Grund der Problematik der korrekten Berücksichtigung in der Buchführung – beabsichtigen die Zusammenarbeit mit Lieferanten, die IST-Versteuerer sind, einzustellen. Das ist auch durchaus nachvollziehbar, da eine Anpassung in (halb-)automatisierten Buchführungssystemen länger brauchen wird, als Zeit von der geplanten Verkündung des Gesetztes bis zum Jahreswechsel verbleibt.

Sollten Sie von einer Ankündigung dieser Art betroffen sein: Prüfen Sie welche Auswirkung eine Umstellung von der IST- auf die SOLL-Versteuerung für Ihr Unternehmen hat. Eventuell ist der Liquiditätsnachteil im Vergleich zur Beendigung einer Geschäftsbeziehung die bessere Lösung. Gerne unterstützten wir Sie bei einer Umstellung.

Fazit

Auch wenn die Neuregelung europarechtskonform ist. Schön ist sie nicht…

Eingangsrechnungen – je nach Rechnungssteller – steuerlich unterschiedlich zu behandeln, erleichtert die Digitalisierung und Automatisierung im Rechnungswesen jedenfalls nicht. Vor allem dürfte es Streitigkeiten geben, wenn Ist-Versteuerer den Vorgaben des Gesetzes nicht nachkommen und der Rechnungsempfänger in der Folge – mangels Kenntnis einer anderen Sachlage – die Vorsteuer zu früh gezogen hat.


Update vom 16.09.2024: Mögliche Beendigung der Geschäftsbeziehung ergänzt.

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