Wie Immobilienbesitzer von einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer profitieren können
Die Abschreibung von Immobilien ist üblicher Weise durch das Gesetz vorgegeben. Unter welchen Voraussetzungen auch die tatsächliche Nutzungsdauer bei der Abschreibung eine Rolle spielen kann, stellen wir in diesem Blog-Beitrag dar.
Die Basis: Gebäude-Afa nach Standardnutzungsdauer
Die steuerliche Abschreibung von Immobilien beruht auf der sogenannten Standardnutzungsdauer. Diese wird durch unterschiedliche Abschreibungssätze für verschiedene Gebäudekategorien und Herstellungszeiträume in § 7 ↗ des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgelegt. Die angenommene Nutzungsdauer schwankt dabei zwischen 33 1/3 und 50 Jahren, was zu Abschreibungen zwischen 2 und 3 Prozent führt.
Flexibilität durch Anpassung auf die tatsächliche Nutzungsdauer
Nach § 7 EStG besteht darüber hinaus die Möglichkeit, von der Standardnutzungsdauer abzuweichen und eine kürzere Restnutzungsdauer geltend zu machen. Dies erfordert jedoch nicht nur eine sorgfältige Prüfung der individuellen Umstände, sondern auch eine überzeugende Argumentation und den Nachweis, dass bestimmte Faktoren eine schnellere Wertminderung des Gebäudes rechtfertigen. Diese Regelung ist noch relativ neu und in der Folge haben sich Finanzverwaltung, Steuerberatung und Gerichte noch nicht auf eine einheitliche Vorgehensweise eingespielt.
Die Vorschrift wird durch die Finanzverwaltung momentan sehr eng ausgelegt. Ein vorteilhaftes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.07.2021 findet so überwiegend keine Anwendung. In der Folge haben sich in diesem Jahr schon einige Urteile vor den jeweiligen Finanzgerichten ergeben. Weitere Gerichtsverfahren und Einsprüche sind noch anhängig. Hier bleibt abzuwarten, wie der BFH im Rahmen der Revision mit der engen Auslegung im Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) umgeht.
Die Vorteile der Anpassung auf die tatsächliche Nutzungsdauer
Wenn das Gebäude voraussichtlich nicht über die gesamte Dauer der gesetzlich vorgegebenen Nutzungsdauer verwendet werden kann, bietet die Anpassung der Nutzungsdauer Unternehmen und Immobilienbesitzern die Chance, ihre steuerliche Belastung zu optimieren. Eine kürzere Nutzungsdauer führt dann zu einer schnelleren steuerlichen Abschreibung und bringt damit finanzielle Vorteile.
Durch dieses Vorgehen können die drohenden Wertverluste durch einen zu erwartenden Abriss auf die noch verbleibenden Veranlagungszeiträume verteilt werden.
Die Herausforderungen und Vorsichtsmaßnahmen
Die Anpassung der Abschreibung auf die tatsächliche Nutzungsdauer ist derzeit nicht ohne Herausforderungen möglich. Die Finanzbehörden prüfen Anträge auf kürzere Restnutzungsdauern intensiv und hinterfragen insbesondere vorgelegte Wertgutachten. Selbst bei einer gründlichen Begründung und überzeugender Nachweise ist der Ausgang des Verfahrens unklar, sofern nicht gleichzeitig die engen Vorgaben des Erlasses eingehalten werden.
BFH widerspricht erneut Vorgaben des BMF
In seinem Urteil vom 23.01.2024 wendet sich der BFH ↗ (erneut) gegen die Vorgaben des BMF zur Berücksichtigung einer kürzeren Restnutzungsdauer. Insbesondere spricht sich der BFH gegen konkrete Vorgaben zur Methodik der Sachverständigengutachten aus. Dies ist nicht durch Gesetz bzw. Verordnung gedeckt und überspanne die Feststellungslast des Steuerpflichtigen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf diese Klarstellung des BFH reagiert. Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass ein Änderungsgesetz die Folge sein könnte. Erfreulich für die Steuerpflichtigen wäre es natürlich, wenn die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des BFH umsetzen würde.
Zwischenzeitlich gibt es jedoch Stimmen in der Finanzverwaltung, die bei einer anzuerkennenden verkürzten Restnutzungsdauer die Gewinnerzielungsabsicht aus der Vermietung – entgegen der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungsmeinung – nicht mehr uneingeschränkt bestehen lassen möchten. In der Folge könnten sich, selbst bei einer Umsetzung der derzeitigen BFH-Rechtsprechung, weitere Rechtsstreitigkeiten ergeben.
Änderungsvorschlag des Bundesrats zum Jahressteuergesetz 2024
Der Bundesrat fordert, dass im Jahressteuergesetz eine Anpassung erfolgt, um die Rechtsprechung des BFH, die die von der Finanzverwaltung geforderten Nachweise als übertrieben ansieht, abzustellen. Die Änderungen sollen ab 2025 gelten und auch in der Vergangenheit erzielte geringere Nutzungsdauern ggf. aberkennen. Unter anderem soll im Gesetz eine Möglichkeit geschaffen werden die Anforderungen an Nachweise rechtssicher vorzugeben. Geplant ist hierfür eine Ergänzung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung.
Sofern die gewünschten Änderungen in das Gesetz einfließen, dürfte ab 2025 der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer nur noch in (den vom Gesetzgeber bereits ursprünglich gewollten?) besonderen Fällen möglich sein.
Fazit zur tatsächlichen Nutzungsdauer
Die steuerliche Abschreibung von Immobilien bietet, derzeit im eingeschränkten Rahmen, Raum für Flexibilität im Hinblick auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzungsdauer. Wie bei vielen rechtlichen Möglichkeiten muss geprüft werden, ob sich der zu betreibende Aufwand (Wertgutachten und ggf. Einspruchs- und Klageverfahren) lohnt. Unternehmen und Immobilienbesitzer sollten hier die Balance zwischen steuerlichen Vorteilen und rechtlichen Anforderungen finden.
Offenbar führt der Hype der Jahre 2023 und 2024 um die verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer nun ab 2025 zu einer gesetzlichen Anpassung. Das Thema dürfte dadurch weniger stark im Fokus stehen.
Update vom 14.10.2024: Änderungsvorschlag des Bundesrats zum JStG 2024 ergänzt; Fazit angepasst
Update vom 15.05.2024: BFH-Urteil vom 23.01.2024 ergänzt