Mitte Juli 2024 haben die vom Bundesfinanzministerium (BMF) eingesetzten Expertenkommissionen ihre Berichte mit steuerlichen Reformvorschlägen abgegeben. Die zwei Kommissionen „Bürgernahe Einkommensteuer“ und „vereinfachte Unternehmenssteuer“ wurden im Juli 2023 eingesetzt, um das Steuerrecht „fit für die Zukunft“ zu machen. Wir berichten über die steuerlichen Reformvorschläge und geben unsere Einschätzung dazu ab.
Größere Unternehmen
Beide Expertenkommissionen des BMF haben sich mit der Besteuerung der Unternehmen befasst. Die eine eher mit dem Fokus auf kleinere Einzelunternehmen, die andere mit dem Fokus auf Gesellschaften. Hier die wesentlichen steuerlichen Reformvorschläge der Expertenkommission „vereinfachte Unternehmenssteuer“.
Basis für die Gewinnermittlungen
Die Handelsbilanz soll wieder einen stärkeren Einfluss auf die steuerliche Gewinnermittlung haben. Internationale Bilanzregeln sollen nicht über die Steuerbilanz Einzug erhalten.
Verluste
Der Verlustrücktrag soll erweitert und der Verlustvortrag nicht beschränkt werden. Auch die Verlustverrechnung im Konzern soll – unabhängig von der Einrichtung eines Gewinnabführungsvertrages – möglich werden.
Gewerbesteuer
Die zahlreichen Hinzurechnungen und Kürzungen sollen entschlackt werden und so zu einer Vereinfachung in der Gewerbesteuer führen. Parallel wird eine Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Körperschaftsteuer vorgeschlagen.
Ende für Betriebsaufspaltung und Sonderbetriebsvermögen
Es wird seitens der Kommission vorgeschlagen, die Rechtsinstitute des Sonderbetriebsvermögens und der Betriebsaufspaltung abzuschaffen. Stattdessen soll ein Neuregelung für die Veräußerung betrieblich genutzten Vermögens geschaffen werden.
Umwandlungen, Umstrukturierungen, Liquidationen und Sanierungen
Die Möglichkeit für steuerneutrale Umstrukturierungen soll nach Ansicht der Kommission ausgeweitet werden. Haltefristen bei Umwandlungen sollen gekürzt und Verluste aus Liquidationen steuerlich (besser) geltend gemacht werden können.
Anpassung der Steuerverfahren an die Risiken
Über ein „Ampelsystem“ soll eine Möglichkeit eingeführt werden, einerseits eine Vielzahl von Unternehmen bei den steuerlichen Pflichten zu entlasten und gleichzeitig diejenigen, die gegen Pflichten verstoßen, engmaschiger zu kontrollieren.
Internationale Besteuerung
Hier fordert die Kommission diverse Maßnahmen, um die internationalen Regelungen auf den Kerngehalt einzudämmen und wieder beherrschbar zu machen.
Unser Fazit für große Unternehmen
Die Kommission hat hier zahlreiche Änderungsvorschläge gemacht, die teilweise sehr weitreichend sind und auch in internationale Regelungen eingreifen. Hier bleibt abzuwarten ob der Gesetzgeber dem folgt und wie diese tatsächlich Regelungen ausgestaltet werden.
Kleinere Unternehmen
Die folgenden Regelungen für kleinere Unternehmen, Selbständige und Freiberufler hat die Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ erarbeitet:
Anhebung und Vereinheitlichung der Grenzwerte
Die Grenzen für den Übergang zu Bilanzierungspflicht und zur Möglichkeit der Ist-Besteuerung sollen vereinheitlich und angehoben werden.
Möglichkeit von Betriebsausgabenpauschalen
Bereits jetzt gibt es für einige Branchen (z.B. Autoren und Tageseltern) Betriebsausgabenpauschalen. Diese sollen ausgeweitet und für Unternehmen ohne Buchführungspflicht angewandt werden.
Abschreibung von Wirtschaftsgütern
Die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) soll auf 2.500 € angehoben werden. Bei Anschaffungen bis zu 10.000 € soll dann eine Pool-Abschreibung über drei Jahre gelten und ein Anlagevermögen nicht mehr erforderlich sein. Es soll geprüft werden ob die AfA-Tabellen abgeschafft und durch eine Typisierung von Wirtschaftsgütern ersetzt werden können.
Unser Fazit für kleine Unternehmen
Die Möglichkeiten der Reformvorschläge sind wünschenswert. Inwieweit diese umsetzbar sind, wird die Zukunft zeigen. Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes wurde z.B. die ursprünglich enthaltene Erhöhung der Grenzen für GWG nicht umgesetzt..
Arbeitnehmer – Mehr Pauschale, weniger Steuererklärung
Ziel der Reform soll es sein, die Anzahl der Steuererklärungen durch Arbeitnehmer zu senken. Dies soll durch stärkere Typisierung und Pauschalierung erreicht werden. Zu den Vorschlägen zählen unter anderem:
Arbeitstagepauschale
Die neue Pauschale soll die bisherigen Regelungen für die Nutzung von Arbeitszimmer und Home-Office ebenso ersetzen wie die Entfernungspauschale zur ersten Tätigkeitsstätte. Ziel ist ein fester Euro-Betrag je Arbeitstag. Sofern der Betrag von 6 € (derzeit Home-Office-Pauschale) angesetzt wird, deckt dieser eine Entfernungspauschale für 20 Km ab. Damit soll ein Großteil der Angestellten besser gestellt werden.
Für Fernpendler soll es abweichend davon eine Möglichkeit geben, weiterhin einen fixen Betrag je Kilometer geltend zu machen.
Pauschalierung weiterer Werbungskosten
Häufig anzutreffende Werbungskosten, die von Umfang her eher gering sind, sollen zukünftig ebenfalls mit einer Pauschale berücksichtigt werden. Darunter fallen z.B. Arbeitsmittel und Beiträge zu Berufsverbänden.
Unser Fazit
Es ist durchaus wünschenswert, die Zahl der abgegebenen Erklärungen dadurch zu verringern, dass bei der Mehrheit der Arbeitnehmer*innen die zu erwartenden Werbungskosten bereits abgezogen werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass viele Steuererklärungen auch wegen der darüber hinausgehenden Sonderausgaben (insbesondere Spenden) eingereicht werden. Solange also das System beibehalten wird, dass das Finanzamt vorliegende Daten nicht automatisch berücksichtigt, wird es in vielen Fällen auch weiterhin erforderlich sein eine Steuererklärung abzugeben.
Rentner und Pensionäre – die Rentenabzugsteuer
Auch bei den Rentnern und Pensionären soll die Steuererklärungspflicht wegfallen. Hierzu soll eine Rentenabzugsteuer eingeführt werden. Alle Versorgungsträger werden zum Einbehalt dieser Steuer verpflichtet. Die Höhe bemisst sich nach den Renteneinkünften des Vorjahres, die vom Finanzamt gemeldet werden. Dabei wird ein neuer Rentner-Pauschbetrag in Abzug gebracht.
In der Folge sollen etwa 4,4 Millionen Steuererklärungen pro Jahr wegfallen.
Unser Fazit
Dies ist ein längst überfälliger Schritt, um Finanzverwaltung und Bürger aber auch Steuerkanzleien von der Arbeitsbelastung für diese Steuererklärungen zu befreien. Zudem hilft er vielen Menschen, bei denen erst im Nachgang festgestellt wird, dass eine Steuerpflicht vorliegt und die dadurch teilweise über Jahre Erklärungen abgeben müssen.
Weitere Änderungen in der Einkommensteuer
Vorsorgeaufwendungen
Nur in wenigen Fällen können über die Pflichtversicherungen (Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung) hinaus Beiträge geltend gemacht werden. Sofern der Gesetzgeber einen Abzug generell als sinnvoll ansieht, sollte ein entsprechender Pauschbetrag eingeführt werden.
Kirchensteuern
Die Kommission empfiehlt den Sonderausgabenabzug zur Kirchensteuern in die Lohnabrechnungen zu integrieren, da sich dadurch Antragsveranlagungen vermeiden lassen.
Haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen
Es konnte kein Nachweis erbracht werden, dass die steuerliche Würdigung dieser privat veranlassten Maßnahmen zu einer Reduzierung der Schwarzarbeit geführt hat. Den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes folgend spricht sich die Kommission daher für eine Abschaffung der steuerlichen Förderung aus.
Nach der Reform ist vor der Reform
Die Expertenkommission für die bürgernahe Einkommensteuer hat sich nicht mit dem komplettem Einkommensteuergesetz befassen können, da ein enger zeitlicher Rahmen gegeben war. In der Folge wurden nur punktuelle Verbesserungen vorgeschlagen und sich mit einigen Teilbereichen (hier insbesondere Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen) nicht auseinandergesetzt. Es wird empfohlen eine weitere Kommission zu berufen, die sich mit umfassenden Steuerreformen beschäftigen soll.
Ausblick zur Umsetzung
Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 ist bereits veröffentlicht und enthält keine der vorgeschlagenen Maßnahmen. Im nächsten Jahr stehen Bundestagswahlen an. Das Zeitfenster für eine Umsetzung bis zum Jahresende 2024 bzw. bis Ostern 2025 ist denkbar knapp für umfangreiche Anpassungen des Steuerrechts. Es ist daher in dieser Legislaturperiode nicht mehr mit einer Umsetzung wesentlicher Teile der Änderungsvorschläge zu rechnen.